Liebe Frau Dr. Liane Bednarz, Sie sind eine promovierte Juristin und interessierten Lesern als Publizistin bekannt. Neben juristischer Literatur haben Sie Bücher über die AfD und die Neue Rechte, gemeinsam mit Christoph Giesa verfasst und am 3.4.2018 wurde Ihr neues Buch "Die Angstprediger" veröffentlicht. Sie publizieren zudem im Tagesspiegel, im European, in Christ & Welt/Die Zeit, in der Jüdischen Allgemeinen und in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung als auch auf Blogs wie Starke-Meinungen und Carta. Auch im Kursbuch erschien ein Beitrag.
In den sozialen Netzwerken zeigen Sie sich überaus engagiert und beweisen stets, dass Sie sehr ethisch in Ihren Gedanken und Ihrem Verhalten ausgerichtet sind.
Helga König: Was bedeutet für Sie Mitmenschlichkeit?
Dr. Liane Bednarz |
Liane Bednarz: Ebenfalls sehr viel. Nicht mit zweierlei Maß zu messen, ist etwas, was mir schon immer enorm wichtig war. Ich reagiere empfindlich, wenn ich so etwas erlebe. Im politischen Bereich neigen viele Leute dazu, Verfehlungen in ihrem eigenen Milieu schönzureden, während sie beim politischen Gegner Härte zeigen. Fairness bedeutet überdies, den politischen Gegner bzw. dessen Vertreter nicht verbal ad personam anzugreifen, sondern immer klar zwischen Person und Haltung zu trennen. Das ist vor allem im Diskurs mit Rechten, aber auch mit sehr linken Menschen essentiell, gerade weil man als Kritiker beider Denkmilieus nicht selten persönlich werdenden Bemerkungen ausgesetzt ist. Insofern sollte man sich selbst die "goldene Regel" auf die Fahnen schreiben: „Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem anderen zu“. Ich bin, was den Umgang mit persönlichen werdenden Äußerungen angeht, ziemlich rigoros und breche dann den Diskurs meistens ab.
Helga König: Ist Ausgrenzung, gleichgültig aus welcher Ecke sie kommt, mit einer christlich-humanistischen Grundhaltung überhaupt zu vereinbaren?
Dr. Liane Bednarz |
Helga König |
Dr. Liane Bednarz: Ich würde nicht so weit gehen, rechtes Gedankengut per se als menschenverachtend zu bezeichnen. Vieles daran bezieht sich auf generelle Prinzipien, ist etwa illiberal bzw. antipluralistisch. Menschenverachtend wird es, wenn Menschen etwa aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit herabgewürdigt werden, namentlich dann, wenn sie wegen ihrer Herkunft, Religion oder ihrer sexuellen Orientierung verächtlich gemacht werden. Mit dem Christentum ist ein solches Verhalten inkompatibel, da nach biblischer Vorstellung jeder Mensch ein "Imago Dei" und Geschöpf Gottes ist.
Helga König: Haben Angstprediger- und Hassprediger ein Problem, die Realität, so wie sie ist, wahrzunehmen, weil ein Persönlichkeitsproblem oder ideologische Verblendung sie daran hindern oder gibt es da noch andere Problemfelder?
Dr. Liane Bednarz |
Hinzukommt, dass in diesem speziellen christlichen Milieu eine starke politreligiöse Grundhaltung vorhanden ist. Das bedeutet, dass man gewissermaßen den Wahrheitsanspruch des Christentums auf die politische Sphäre überträgt und rechte Positionen für "wahr" hält. Dementsprechend konnte die AfD mit ihrem Slogan "Mut zur Wahrheit" bei diesen Menschen sehr punkten. Eine Bereitschaft, die eigenen politischen Positionen zu hinterfragen besteht kaum. Damit einher geht die starke Tendenz, sich fast nur noch oder vorrangig unter Gleichgesinnten zu bewegen und so wechselseitig die angstmachenden Feindbilder zu verstärken.
Helga König |
Dr. Liane Bednarz: Bekanntlich werden jedenfalls in Teilen des rechten Milieus, namentlich in den Filterblasen des Internets vielfach "Fake News" verbreitet. Das Problem dabei ist, dass viele Menschen, die rechts geworden sind, dafür kaum ein Gespür haben, sondern dazu neigen, Dinge zu glauben, solange sie in die eigene enge Ideenwelt passen. Gleichzeitig, und das ist das Groteske, beschimpfen viele von ihnen die etablierten, seriösen Medien als "Lügenpresse" oder "Lückenpresse". Ich habe persönlich in den sozialen Medien leider gesehen, dass Menschen, die gen rechts gedriftet sind, selbst dann nicht zurückhaltender werden, wenn sie aktiv "Fake News" verbreitet haben und darauf hingewiesen wurden. Zwar räumen die meisten den konkreten Fehler dann ein, machen aber nicht den Eindruck, fortan vorsichtiger zu sein und schrille News erst einmal selbst mit einer einfachen Internetrecherche zu überprüfen.
Helga König: Der politische Philosoph, Rechtsgelehrte, reformierte Theologie und frühe Aufklärer Hugo Grotius sagte einst: "Freiheit ist die Macht über uns selber." Wer diese Fähigkeit besitzt, will bekanntermaßen andere nicht dominieren. Ist der Wunsch dominieren zu wollen, Ihrer Beobachtung nach einer der Hauptantriebe von AfD-Leuten?
Dr. Liane Bednarz |
Helga König |
Dr. Liane Bednarz: Gute Frage, Ich denke, man kann Letzteres so sagen, da Ethik stets das Individuum und die Achtung dessen Würde, sprich dessen gedankliche Freiheit im Blick haben muss. Verantwortungsvolles Handeln, und darum geht es der Ethik ja, muss die Freiheit des Individuums als Ausdruck dessen Würde akzeptieren und widerspricht autoritären, illiberalen Vorstellungen. Das Hauptmerkmal der Toleranz besteht darin, anderen Menschen die Freiheit zuzugestehen, nicht den eigenen politischen bzw. gesellschaftlichen Vorstellungen zu folgen und sie deshalb, wie oben schon angerissen, nicht persönlich verächtlich zu machen.
Das bedeutet nicht, dass man sich in der Sache nicht hart streiten kann. Man muss aber, wenn eine Überzeugung nicht gelingt, dem anderen seine Meinung lassen. Es geht also abermals um die Trennung von Haltung und Person. In Deutschland ist diese Form der Debattenkultur immer noch viel zu schwach ausgeprägt. Hier kann man sich einiges aus der angloamerikanischen Diskursführung abschauen, wie sie dort bereits jungen Menschen in Form von Debattierclubs an den Universitäten nahegebracht wird.
Helga König: Papst Franziskus twitterte neulich: "Im Herzen arm sein, mit demütiger Sanftmut reagieren, mit anderen zu trauern wissen, voll Hunger und Durst die Gerechtigkeit suchen, mit Barmherzigkeit sehen und handeln: das ist Heiligkeit."Müssten Christen, die sich in die AfD verirrt haben, bei diesem Satz nicht fluchtartig diese Partei und deren Umfeld verlassen?
Dr. Liane Bednarz |
Liebe Liane Bednarz, ich danke Ihnen herzlich für das aufschlussreiche Interview
Ihre Helga König
Foto von Liane Bednarz:© Liane Bednarz
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