Liebe Frau Claudia Czingon, lieber Herr Michael Wolff, auf Twitter findet man unter dem Account "Wirtschaftsethik" bemerkenswerte Tweets, die neugierig machen. Folgt man auf Ihrer Profilseite dem Link Ihrer Homepage, so entdeckt man sehr rasch, wer sich hinter dem Twitter-Account verbirgt: "Nell-Breuning-Institut für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik" Damit die Leser von "Buch, Kultur und Lifestyle" ein wenig mehr über das Institut und die Aufgaben, die es sich stellt, erfährt, möchte ich an Sie nun einige Fragen richten.
Notizen zur Interviewpartnerin: Dr. des. Claudia Czingon, Soziologin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Nell-Breuning-Institut für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt am Main.
Notizen zum Interviewpartner: Michael Wolff, Diplom-Soziologe und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Nell-Breuning-Institut für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt am Main.
Michael Wolff |
Helga König |
Claudia Czingon: "Ethik der Finanzmärkte" klingt für viele Menschen wie ein Widerspruch in sich. Das verweist schon auf das Problem: Zwischen den Geschäftsstrategien der "Banker" und dem "Gemeinwohl" sehen viele einen unüberbrückbaren Gegensatz. Allerdings geht es uns in diesem Forschungsschwerpunkt nicht um die Frage, wie "die Banker" weniger gierig werden könnten. Vielmehr fragen wir danach, wie die Politik – auch die international koordinierte Politik – dafür sorgen kann und was sie dafür tun soll, dass die einzelwirtschaftlichen Strategien im Bereich "finance" eine gute – im Sinne aller Menschen gute – Entwicklung der Wirtschaft fördern. Da geht es uns darum, dass Gewinne in diesem Bereich wirklich nur mit Aktivitäten verdient werden können, die für andere Akteure nützlich sind, weil z.B. Finanzierung ermöglicht oder Risikomanagement erleichtert wird. Es geht um Finanzmärkte, die nicht zu Krisen neigen, deren Management dann den Staat finanziell "aussaugt", und es geht schließlich darum zu verhindern, dass die Anleger die Vorstände der Aktiengesellschaften zu Strategien der kurzfristigen Gewinnsteigerung drängen.
Helga König: Im Rahmen dieses Schwerpunkts befassen sie sich seit einigen Jahren mit dem Projekt "Von Rationalität und Legitimität im Bankensystem". Was möchten Sie diesbezüglich unseren Lesern mitteilen?
Claudia Czingon |
Helga König: Die am Nell-Breuning-Institut betriebene Gesellschaftsethik steht in der Tradition der Katholischen Soziallehre liest man auf Ihrer Homepage. Möchten Sie unseren Lesern bitte kurz zur Kenntnis bringen, was man unter der "Katholischen Soziallehre" zu verstehen hat?
Michael Wolff |
Helga König |
Claudia Czingon: Im Pflegeprojekt untersuchen wir die Auswirkungen der Pflegearbeit auf die Lebensperspektiven der Pflegenden in Privathaushalten. In der häuslichen Pflege in Deutschland sind drei Gruppen zu unterscheiden: die Angehörigen, die bis heute den größten Teil der Pflegearbeit leisten, die Angestellten ambulanter Pflegedienste und migrantische Pflegekräfte, die in den Haushalten leben und rund um die Uhr bereitstehen, um die anfallende Arbeit zu verrichten. Pflegearbeit als personenbezogene Dienstleistung boomt; dieser junge Dienstleistungssektor wächst in einem rasanten Tempo und weitgehend unreguliert. Wie kann in Zukunft die Deckung der Pflegebedarfe organisiert werden, wenn geburtenstarke Jahrgänge mit vielen Personen ohne Kinder pflegebedürftig werden? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Angehörige gute Pflegearbeit leisten können und damit sie mit ihrer Pflegeverantwortung nicht völlig überfordert werden? Wie kommt man zu fairen Beschäftigungsverhältnissen in Privathaushalten? All diese Fragen wollen wir in dem Forschungsprojekt, auch im Rückgriff auf die Erfahrungen anderer Länder, beantworten.
Helga König: Die wissenschaftlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind u.a. an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in St. Georgen in Frankfurt tätig. Worin besteht dort ihre primäre Tätigkeit?
Claudia Czingon: Wir sind sowohl in der Lehre als auch in der Forschung tätig. Die Hochschule Sankt Georgen bietet die Studiengänge Theologie und Philosophie an, in denen wir auch unterrichten. Darüber hinaus schreiben wir Forschungsanträge, halten Vorträge, kümmern uns um die Öffentlichkeitsarbeit, nehmen an Institutskolloquien und Lesekreisen teil oder arbeiten, so wie ich, in der Wissenschaftskommunikation. Hier geht es darum, NachwuchswissenschaftlerInnen zu vernetzen und den Wissenstransfer sowohl zwischen den WissenschaftlerInnen als auch zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zu fördern.
Helga König: Ihr Institut empfiehlt eine gewisse Anzahl von Büchern u.a. "Was ist los mit dir, Europa?" - Für mehr Gerechtigkeit, Solidarität und Frieden! (2017). Worum geht es in diesem Buch?
Michael Wolff: "Was ist los mit dir Europa“ ist das neue Buch des Institutsgründers Friedhelm Hengsbach, der als einer der wichtigsten zeitgenössischen Vertreter der Katholischen Soziallehre gilt. Es ist eine sozialethische Reflexion über mehrere Themenfelder: die sozialen Ungleichheiten, die sich innerhalb und zwischen den Mitgliedsländern der EU aufgetan haben; die Frage, ob die EU eine Sozialunion ist; die europäische Asylpolitik; die institutionelle Architektur der EU und schließlich die Frage, wie nach dem Brexit ein Neustart der EU gelingen könnte. Ein großes Problem der EU sieht Friedhelm Hengsbach in ihren unübersichtlichen Strukturen und Zuständigkeiten, dem Kompetenzgerangel zwischen den Institutionen und den bestehenden Machtverhältnissen. Darin sieht er auch eine Ursache für die ablehnende Haltung eines Großteils der Bevölkerung.
Helga König: Sie sind beide Diplom- Soziologen. Offenbar ist ein theologisches Studium nicht notwendig, um an Ihrem Institut mitzuarbeiten?
Claudia Czingon: Nein, das ist nicht notwendig. Unser Institut ist stark interdisziplinär ausgerichtet. Die MitarbeiterInnen haben nicht nur einen theologischen, sondern auch einen soziologischen, ökonomischen oder politikwissenschaftlichen Hintergrund. Auch in dem Forschungsverbund „Finanzsystem und Gesellschaft“, für den ich am Institut arbeite, ist eine große Bandbreite an Sozialwissenschaften vertreten: Soziologie, Politikwissenschaften, Ökonomie, Wirtschaftsgeschichte und Sozialethik.
Helga König: Schlussendlich die Frage: Was bedeutet für Sie ein faires Miteinander und inwieweit kann das ethische Engagement ihres Instituts einen sinnstiftenden Beitrag leisten?
Michael Wolff: Heutzutage wollen die meisten Menschen unabhängig und selbstbestimmt leben. Umso unabhängiger man sein will, desto abhängiger macht man sich aber von anderen. Will man zum Beispiel berufliche Karriere und Familie miteinander vereinen, braucht man ein gutes Betreuungssystem mit ErzieherInnen. Wie deren Arbeitsbedingungen sind, ist bedeutsam – für die ErzieherInnen, aber auch für ein gutes Betreuungssystem. Ein faires Miteinander ist also davon geprägt, seine eigenen Interessen im Lichte des Gemeinwohls zu reflektieren. Im Institut verstehen wir unsere Aufgabe darin, nicht nur zu forschen, sondern die Ergebnisse unserer Forschung auch einem möglichst breiten Publikum in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zugänglich zu machen und in die öffentliche und politische Debatte einzuwirken.
Liebe Frau Claudia Czingon und Herr Michael Wolff, ich danke Ihnen herzlich für das aufschlussreiche Interview.
Ihre Helga König
Anbei der Link zur Website des Oswald von Nell- Breuning Institut –Für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik
Helga König: Die wissenschaftlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind u.a. an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in St. Georgen in Frankfurt tätig. Worin besteht dort ihre primäre Tätigkeit?
Claudia Czingon |
Michael Wolff |
Claudia Czingon: Nein, das ist nicht notwendig. Unser Institut ist stark interdisziplinär ausgerichtet. Die MitarbeiterInnen haben nicht nur einen theologischen, sondern auch einen soziologischen, ökonomischen oder politikwissenschaftlichen Hintergrund. Auch in dem Forschungsverbund „Finanzsystem und Gesellschaft“, für den ich am Institut arbeite, ist eine große Bandbreite an Sozialwissenschaften vertreten: Soziologie, Politikwissenschaften, Ökonomie, Wirtschaftsgeschichte und Sozialethik.
Helga König |
Michael Wolff: Heutzutage wollen die meisten Menschen unabhängig und selbstbestimmt leben. Umso unabhängiger man sein will, desto abhängiger macht man sich aber von anderen. Will man zum Beispiel berufliche Karriere und Familie miteinander vereinen, braucht man ein gutes Betreuungssystem mit ErzieherInnen. Wie deren Arbeitsbedingungen sind, ist bedeutsam – für die ErzieherInnen, aber auch für ein gutes Betreuungssystem. Ein faires Miteinander ist also davon geprägt, seine eigenen Interessen im Lichte des Gemeinwohls zu reflektieren. Im Institut verstehen wir unsere Aufgabe darin, nicht nur zu forschen, sondern die Ergebnisse unserer Forschung auch einem möglichst breiten Publikum in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zugänglich zu machen und in die öffentliche und politische Debatte einzuwirken.
Liebe Frau Claudia Czingon und Herr Michael Wolff, ich danke Ihnen herzlich für das aufschlussreiche Interview.
Ihre Helga König
Anbei der Link zur Website des Oswald von Nell- Breuning Institut –Für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik
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