Helga König im Gespräch mit Uwe Prink, Rock- und Bluessänger, Autor, Diplomsozialökonom und Sozialwirt

Der Diplomsozialökonom und Sozialwirt Uwe Prink arbeitet als freiberuflicher Coach und Dozent. Seine musischen Begabungen lebt er seit 40 Jahren als Rock- und Bluessänger auf den Bühnen Nordeutschlands aus. Er veröffentlichte zwei Romane und schreibt an seinem dritten Werk.

Lieber Uwe Prink, es freut mich, dass Sie an dem Ethik-Langzeitprojekt "Interviews- Begegnungen mit Menschenfreunden im Netz" des Onlinemagazins "Buch, Kultur und Lifestyle" teilnehmen. 

Dazu nun folgende Fragen an Sie:

Helga König: Wie definieren Sie Mitmenschlichkeit?

 Uwe Prink
Foto: Melanie Jost
Uwe Prink: Natürlich fällt mir bei dem Thema schnell der kategorische Imperativ von Kant ein. In der Kurzform "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde." Das wäre eine gute Richtschnur für ein produktives Zusammenleben von Menschengruppen. Aber Mitmenschlichkeit berührt noch tiefere Schichten, die in emphatische Räume führen. Kann ich meinen Nächsten mit seinen Fehlern akzeptieren? Kann ich mir vorstellen, warum er diese Fehler macht, auch wenn es schwere Fehler sind? Wenn man das ins soziale Verhalten gegenüber anderen mit einbezieht und Verständnis dafür haben kann, weil man die Lage oder die psychische Verfasstheit anderer nachvollziehen kann, kommt man der Mitmenschlichkeit näher. Mitmenschlichkeit hat etwas mit der eigenen inneren Verfassung und der jeweiligen Situation zu tun. Wenn man die anderen Menschen als Mitgeschöpfe auf diesem Planeten wahrnimmt, die alle die gleiche Wertigkeit als Mensch haben, fällt mitmenschliches Handeln leichter. Wenn man allerdings selbst gerade in einer Stresssituation steckt und sich dann in Zuschreibungen der jeweiligen Gruppe, aus der andere Menschen stammen, verstrickt, kann man auch mit guter innerer Haltung unmenschlich handeln. Ur-teile trennen. Der Begriff "Definition" klingt für mich bei diesem Thema ein bisschen technisch. Mitmenschliches Handeln beinhaltet die Liebe zum Menschen, Empathie und Verständnis. Ein hehres Ziel, dem ich nicht immer gerecht werde.

 Helga König
Helga König: Was bedeutet Ihnen Fairness?

Uwe Prink: Fairness hängt mit der oben behandelten Mitmenschlichkeit zusammen. Was denke ich über die prinzipielle Gleichberechtigung meiner Mitmenschen? Mit innerlicher Menschenzugewandheit erwerbe ich einen Sinn für Gerechtigkeit, der nirgends verfasst sein muss als im eigenen Inneren. Wenn mir jemand kontrovers gegenüber tritt, sei es persönlich als Mensch oder in sozialen Netzwerken, ist es fair, wenn ich ihn respektvoll behandele, auch wenn er eine andere Meinung hat. Im persönlichen Gespräch ist das einfacher, weil die Körpersprache und der Situationszusammenhang präsent sind. Ich verhalte mich kultiviert und mit mehr Respekt gegenüber anderen, weil ich in der Situation ganz anwesend bin. Es ist mir schon passiert, dass ich in sozialen Netzwerken nahe an der Beleidigung argumentierte, aber nie ausfallend wurde. Als Legitimation nannte ich es die elegante Beleidigung ohne Fäkalsprache, die aber damit noch treffender sein kann, wenn sie kultiviert und gezielt ausgedrückt wird. Es ist für mich auch besser, nicht mit schlechter Laune z. B. zu twittern, weil dann die Emotion die Wortwahl beeinflusst. Ich versuche mich zu bessern, was mir aber angesichts der absurden Entscheidungen unserer Spitzenmanager und der Spitzenpolitiker manchmal schwer fällt, denn in mir schlummert eine streitbare Natur, die sich allerdings durch meine Hinwendung zu spirituellen Themen zunehmend abschwächt. 

Helga König: Sie haben getwittert: "Seit geraumer Zeit sind kulturelle Nivellierer dabei, alles in einer gleichmachenden Gülle zu versenken. Jetzt hat sich eine kleine Gruppe, eine Art Sprachpolizei, daran gemacht, auch noch die Sprache zu nivellieren. Sprache verändert sich durch Entwicklung, nicht durch Diktat." Welche Probleme ergeben sich für Sie dadurch als Sänger und Autor und sehen Sie in besagtem Sprachdiktat einen Akt mangelnder Menschenfreundlichkeit?

 Uwe Prink
Foto: Melanie Jost
Uwe Prink: Sie berühren eines meiner Lieblingsthemen und ich kann nur versuchen, mich so kurz wie möglich zu fassen. Wenn sie heute den Fernseher einschalten sehen sie Brot und Spiele wie immer. Fußball, anderer Sport, Olympia und Quiz-, Rate- und Spielshows. Und, ich nenne es die Krimiseuche. Sie hat immer mehr die Programme befallen. Die Veränderung beim Sport ist eine damit einhergehende überdrehte Gelddruckmaschine, der der sportliche Aspekt abgeht. Die Quiz- und Rateshows beschäftigen sich mit Trivial Pursuit-Wissen, das mit Allgemeinwissen der humanistisch geprägten Art nicht mehr viel gemein hat. Unnützer Ballast fürs Hirn. Die Nachrichtensendungen, auch die öffentlich-rechtlichen, nivellieren durch Framing. Früher gabs dafür einmal den Begriff "Tatort Wort". Wenn ein Staat in das westlich geprägte Raster passt, wird er von einem Präsidenten oder von einem Staatschef geführt. Passt das Regime nicht in das Raster, ist von einem Machthaber die Rede. Es handelt sich um Schubladennachrichten, gleichgeschaltet, die immer mehr den Public-Relations-Charakter annehmen. Zum Thema Polittalkshows kann ich nur ein Zitat von Noam Chomsky erwähnen, das alles erklärt: "Der schlaueste Weg, Menschen passiv und folgsam zu halten, ist, das Spektrum akzeptierter Meinungen strikt zu limitieren, aber innerhalb dieses Spektrums sehr lebhafte Debatten zu erlauben." Und last but not least die Krimis. Z. B. die Tatorte zur besten Sendezeit. Die Handlung wird immer unwichtiger und es herrscht ein Übermaß an Gewaltdarstellungen vor. Und das zieht sich durch die ganze Spielfilmlandschaft. Wie kann man eine Verherrlichung von Gewalt "Unterhaltung" nennen? Ich nenne das Irrsinn. Nun zur Sprachpolizei. Der Dichter Reiner Kunze schreibt: "Sprachgenderismus ist eine aggressive Ideologie." (Passauer Neue Presse, 09.06.2018) Ich würde ihn nicht als aggressiv einstufen, aber ideologischen Charakter hat er schon. Recht hat er, wenn er schreibt "Die Sexualisierung der Sprache durch die Diskreditierung geschlechtsübergreifender Wortbedeutungen hat eine eklatante Verarmung und Bürokratisierung der Sprache, die Denunzierung aller Sprechenden, die sich dagegen verwahren, und eine Einschränkung der Freiheit des Denkens zur Folge." (ebnd.) Im selben Artikel zitiert er: "Man schreibe nie, was man nicht sprechen kann, oder was zu einer Verkrüppelung der gesprochenen Sprache führt (Professx, Stud_entin, Trans*autoren, Akteu-re/innen [gendergerechte Schreibweisen nach Prof. Dr. phil Lann Hornscheidt, geb. Antje Hornscheidt, Humboldt-Universität Berlin]).“ Als Sänger habe ich heute keine Probleme damit, weil ich meist Blues und Balladen in englischer Sprache singe. Als Autor würde ich mich diesem Sprachdiktat nicht beugen, weil durch die Verarmung und Bürokratisierung der Sprache die Poesie zerstört wird. Ich sehe es nicht als einen Akt mangelnder Menschenfreundlichkeit an, sondern als einen Akt undurchdachter, ideologischer Ni-vellierung.

 Helga König
Helga König: Sie haben retweetet: "Es gibt rund 6500 Sprachen auf der Welt. Wissenschaftler befürchten, dass bis zum Jahr 2200 die Sprachvielfalt auf 100 Sprachen geschrumpft sein wird." Worin könnte der Vorteil der babylonischen Sprachentwirrung durch Schrumpfung liegen oder gibt es am Ende gar keinen Vorteil?

Uwe Prink: In einigen Fällen ist es vonnöten, global zu denken und wenn möglich auch zu handeln. Das beste Beispiel dafür ist der Klimawandel. Das ist, und anderes mehr, nur global zu lösen und wichtig für das Überleben der Menschheit. Eine Schrumpfung der Sprachen hat allerdings kulturell gesehen keinen Vorteil. Für die Wissenschaft, die Wirtschaft und die Politik kann es ein Vorteil sein, wenn z. B. in der englischen Sprache kommuniziert wird. Aber kulturell betrachtet stellt die Schrumpfung eine Verarmung dar. Wenn eine Sprache ausstirbt, dann verschwindet damit für diejenigen, die sie sprachen, ein Stück ihrer Kultur. Die feinen Nuancen verschwinden manchmal bei Übersetzungen und damit auch das spezifische Element des Denkens und Fühlens der Menschen, die sie sprachen. Obwohl nach neueren Erkenntnissen die Schotten mehr Wörter für Schnee haben als die Inuit, nehme ich sie lieber als Beispiel, weil eher diese Sprache als das schottische Englisch verschwindet. Ich möchte wissen, wie ca. 400 Wörter für Schnee ins Arabische übersetzt werden. Auch das Verständnis der Wissenschaft, die alte Kulturen untersuchen soll, um das Wissen über sie für die Nachwelt zu erhalten, würde darunter zu leiden haben. Fazit für mich: Kein Vorteil. 

Helga König: Sie schreiben auf Twitter: "Jeder Mensch trägt das kollektive Gedächtnis der Gewalt in sich, die sich die Menschen gegenseitig in den letzten Jhrtsd. angetan haben. E. Tolle nennt das d. Schmerzkörper. Dieser wird tägl. vermehrt, wie man in den Medien sehen kann. Man muss dem d. Resonanzfläche entziehen.“ Was empfiehlt der Menschenfreund als Alternative?“ 

 Uwe Prink
Foto: Melanie Jost
Uwe Prink: Danke für das Kompliment. Es ist zu hoch gegriffen. Wenn schon bemühe ich mich dahin auf dem Wege zu sein. Seit ich mich mit spirituellen Themen näher beschäftige, hat mich diese Erkenntnis von E. Tolle besonders beeindruckt. Ist es doch eine Erklärung dafür, was dort draußen in der Welt des Irrsinns vor sich geht. Die Gewalt scheint wieder einen Kulminationspunkt zu erreichen. Wie oben schon erwähnt, nimmt die Gewalt wieder zu. Sei es in der realen Welt der Kriege und Konflikte oder ebenso in den Medien als Darstellung. Was ich empfehle, habe ich im tweet schon benannt. "Die Resonanzfläche entziehen" bedeutet, dem eigenen Inneren, dem Denken und der Seele keinen Raum für diese Gewalt geben. Früher habe ich das gemacht, mich aufgeregt und die Gewalt angeprangert, wo ich nur konnte. Aber das vergrößert den eigenen Schmerzkörper und damit das eigene Leid, das man dann wieder in die Welt projiziert. So schaukelt sich das ganze hoch. Da ich ein politischer Mensch bin, habe ich mir angewöhnt die Realität zwar anzuschauen, um zu wissen was in der Welt vor sich geht, aber es nicht mehr zu verinnerlichen. Das fällt mir leichter, seitdem ich mich mit Spiritualität befasse, weil es dadurch klarer wird, woher diese Gewalt kommt. Wichtig ist es auch, Ereignisse nicht zu vorschnell einzuschätzen, zu urteilen. Die Urteilung führt zur Spaltung und damit zu mehr Gewalt. 

 Helga König
Helga König: Auch dies ist ein Tweet von Ihnen: "Jeder Mensch glaubt - an das Absolute. Der Monotheist glaubt an den einzigen, absoluten Gott. Der Atheist/Materialist glaubt an die absolute Materie. Der Theist glaubt an das absolute Bewusstsein (Gott). Wichtig ist, dass man an das glaubt, was einem gut tut.“ Toleranz in Glaubensangelegenheiten: Wie könnte man diese weltweit auf den Weg bringen? 

Uwe Prink: Das ist wohl die schwierigste Frage überhaupt. Das Glaubensspektrum auf diesem Planeten ist so breit gefächert und die Gesellschaften sind soziologisch auf verschiedenen Zivilisationsstufen. Ein Anhänger einer Naturreligion kann einen Monotheisten ebenso wenig verstehen wie ein Polytheist. Da der Kern aller Religionen, nämlich der Friede auf Erden, von den Regierenden für Herrschaftszwecke ausgelegt, also instrumentalisiert wird, und dadurch die Menschen mithilfe der Religionen aufeinander gehetzt werden, kann man die Toleranz nicht weltweit auf den Weg bringen. Das einzige was ich als Einzelner machen kann ist, zu versuchen ein gottzugewandtes Leben zu führen und das auf meine Umwelt auszustrahlen. Man soll das allerdings nicht mit Mission verwechseln. Ich glaube an den Urgrund des Bewusstseins, des Allgeistes, man kann auch Gott sagen, der individuell, also unteilbar, absolut, im Sinne von unabhängig und zielgerichtet ist. Ohne Bewusstsein gibt es nichts. Es formiert und informiert die Energie zu den materiellen Formen, vom Kosmos bis ins kleinste Teilchen. Gottzugewandt bedeutet für mich, der natürlichen kosmischen Ordnung gemäß zu leben und in der Polarität hin- und herzuschwingen, ohne sie zu verlassen. Alle anderen sollen glauben und denken, was sie wollen und was ihnen gut tut. Denn wenn es ihnen wahrhaftig innerlich gut tut, werden sie auch nicht aggressiv gegenüber anderen sein.

Helga König: Retweetet haben Sie: "Wenn Menschen, die zum bloßen Vergnügen in weit entfernte Länder fliegen, von anderen, die sich das nicht leisten können, verlangen, nicht mehr mit ihrem "alten Diesel" zur Arbeit zu fahren, haben wir v.a. eines: ein soziales Problem. Und das birgt gesellschaftl. "Sprengstoff". Der Klimawandel macht erforderlich, dass alle an einem Strang in die gleiche Rich-tung ziehen. Wie ist dies nach Ihrer Meinung zu bewerkstelligen, ohne Maßnahmen zur Veränderung politisch diktiert zu bekommen? 

 Uwe Prink
Foto: Melanie Jost
Uwe Prink: Bewusstsein hat mit Bildung zu tun. Und wenn man nicht politisch diktieren möchte, müssen die Menschen für praktische Veränderungen ein Bewusstsein für die Umwelt entwickeln. Ein Bewusstsein zu entwickeln hat aber etwas damit zu tun, ob man sich dieses Bewusstsein auch leisten kann. Und da sind wir bei der sozialen Frage. Und die hat etwas mit Bildung zu tun. Ohne Politik in Richtung zu mehr Chancengleichheit, sozialem Ausgleich, sozialer Teilhabe und damit zu mehr Bildung, erreichen wir nicht viel in Richtung Klimawandel. Die Volksparteien sind im Ideal dazu da, der Gesellschaft aller ihrer Mitglieder zu dienen. Zumindest geben sie das vollmundig vor. Aber das ist heute nicht der Fall. Die neoliberale Wirtschaftspolitik hält sich immer noch im Märchenland des ewigen Wachstums auf und schafft damit das Gegenteil vom Klimawandel. Wie soll man den Menschen klar machen, das sie ihren ökologischen Fußabdruck verkleinern sollen, wenn die Wirtschaft statt auf Nachhaltigkeit zu setzen, alles, gedeckt von der Regierung, tun darf, was diese perverse Wachstumslogik fördert. Und damit habe ich nur von Deutschland gesprochen. Man kann den Indern und den Chinesen nicht verbieten, genau so einen Lebensstandard wie wir ihn haben, anzustreben. Und wir alle haben Afrika seit Jahrzehnten vergessen. Erst durch die Flüchtlingswellen wurden wir daran erinnert, das es dort unten noch einen riesigen, bevölkerungsreichen Erdteil gibt. In meinen Augen sind solche Veranstaltungen wie der UN-Klimagipfel Placebos. Allein das die größte Volkswirtschaft der Welt salopp ausgedrückt sagt: "Is’ uns doch egal!" Die Jugend dieser Welt ist nicht umsonst auf den Straßen. Sie fürchtet um ihre Zukunft und hat noch die Ideale, die die Gierhälse in den Vorstandsetagen, die Lobbyisten und die Spitzenpolitiker längst hinter sich gelassen haben. Sie handeln nach dem Motto: Nach uns die Sintflut. Für diese Frage habe ich keine Vorschläge, geschweige denn Antworten. 

 Helga König
Helga König: Sie haben getwittert:"Wir sind ewig, wir sind bewusst und wir haben einen freien Willen." Wie kann ein bewusster Mensch, feindlich und niederträchtig gegenüber seinen Mitmenschen handeln, wo er doch weiß, dass wir alle aufeinander angewiesen sind? 

Uwe Prink: Das Urbewusstsein, das Allganze oder eben Gott, aus dem alles, was existiert, emanierte, ist ewig, ist bewusst und hat einen freien Willen. Wir sind Teile dessen mit den gleichen Eigenschaften. Wie die Strahlen mit der Sonne verbunden sind, so sind wir aus dem Vordergrund der relativen, abhängigen Welt mit dem Hintergrund der absoluten, unabhängigen Welt verbunden. Menschen die niederträchtig und feindlich handeln, haben sich von dem natürlichen Bewusstsein abgewandt. Religiös ausgedrückt könnte man sagen: "Sie sind gottlos." Sie verstecken ihr negatives Handeln hinter falschen Ideologien, um es zu legitimieren. Begriffe fallen wie: "gut und böse" sind relative Kategorien, eben menschengemacht. Diese Erfahrungen gehören zum menschlichen Dasein. Wir müssen vernünftig handeln. Und wenn ein Krieg einen größeren Krieg verhindern kann, ist er alternativlos.“ In der Wirtschaftskrise heißt es "too big to fail" und legitimiert durch die neoliberale Wirtschaftsideologie, werden die Verluste nach finanziellen Desastern (2008) sozialisiert. Der Steuerzahler muss dafür aufkommen, weil wir alle sonst untergehen. Aber Gewinne werden andererseits privatisiert. Leute, die so handeln haben alles andere im Sinn, aber nicht das wir alle aufeinander angewiesen sind. Elitäre Erziehung setzt nicht auf Zusammenhalt, sondern auf Abgrenzung. Der Charme am Glauben an den freien Willen liegt darin, dass jeder sich in jeder Situation dafür entscheiden muss, ob er gottzugewandt oder gottabgewandt verhält. Damit haben wir alle Verantwortung, die wir nicht, wie in anderen Glaubenskonstrukten oder Ideologien, an andere delegieren, abgeben können. Nein, WIR sind verantwortlich für unser Denken und vor allem dem daraus resultierenden Handeln. 

Helga König: Eckart Tolle schreibt: "Die Verschmutzung des Planeten ist nur die Spiegelung im Außen von einer psychischen Verschmutzung im Inneren, ein Spiegel für die Millionen von unbewussten Menschen, die keine Verantwortung für ihren inneren Raum übernehmen." Wie sehen Sie dies? 

 Uwe Prink
Foto: Melanie Jost
Uwe Prink: Mit der Beantwortung dieser Frage verweise ich auf die Antwort zu Frage Nr. 8. Auch Frage Nr. 7 beantwortet in Teilen dieses Thema. Die Schlüsselbegriffe dazu sind Macht, Chancengleichheit und Bildung. Millionen von Menschen wird die Verantwortung für ihren inneren Raum aus Machtinteressen durch falsche Religionsauslegungen und Ideologien abgenommen. Und Millionen von Menschen wissen nicht einmal, dass es in ihnen einen inneren Raum gibt. Der Planet ist ebenso ein Organismus der vernetzten Welt wie auch die Lebewesen, die ihn bevölkern. Und wenn der Schmutz überhand nimmt, dann lässt er sich das nicht länger bieten. Das mögen auch diejenigen, die über Bildung verfügen und denen es gut geht, nicht gern wissen, weil es unbequem ist. 

 Helga König
Helga König: Friedrich Nietzsche soll gesagt haben: "Wer sich tief weiß, bemüht sich um Klarheit; wer der Menge tief scheinen möchte, bemüht sich um Dunkelheit." Was meinen Sie dazu? 

Uwe Prink:  Ich erweitere das Zitat um diesen Satz: . . . "Denn die Menge hält Alles für tief, dessen Grund sie nicht sehen kann: sie ist so furchtsam und geht so ungern in's Wasser." Ich würde es folgendermaßen auslegen: Wer redlich bemüht in sein Inneres schaut und dort eine Erklärung für sein Dasein findet, unabhängig von jeglichen falschen Lehren, der hat es nicht nötig, der Menge tief zu scheinen. Er ist nicht auf diesen Zuspruch angewiesen, weil ihm klar ist, dass das nur eitel ist. Derjenige, der die Menge verführen möchte, der sie in irgendetwas, was ihm von Nutzen ist, hineinmanipulieren möchte, bemüht sich um Dunkelheit, damit die Lüge nicht sichtbar wird. Nietzsche sprach vom Übermenschen, den ich als Bindeglied zum göttlichen Bewusstsein sehe und nicht, wie in der falschen Auslegung als Herrscher über andere, weil er "über" ihnen steht. Der Übermensch möchte weder über andere herrschen noch beherrscht werden. Er braucht diese Bestätigung nicht mehr, weil er schon einen Schritt weiter ist, nämlich einen Bewusstseinsschritt. Die Furchtsamkeit der Menge hat mit Angst zu tun. Angst gehört zum menschlichen Dasein. Die Meisten fürchten den Blick ins Innere, weil sie Angst davor haben, was da zum Vorschein kommt. Es ist die Angst vor dem Unbekannten, vor möglichen "Leichen im Keller". Die lassen sie lieber schlummern. Diese Leute sind dann leichte Opfer für Bauernfänger mit falschen Lehren.

Lieber Uwe Prink, ich  danke Ihnen ganz herzlich für das aufschlussreiche Gespräch.

Ihre Helga König

Anbei der Link zur Homepage von Uwe Prink:http://www.uwe-prink.de/

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