Lieber Horst Peter Pohl, Sie sind evangelischer Theologe und waren Stadtdekan in Frankfurt. Tätig waren Sie in den zurückliegenden Jahren als Pfarrer, Pädagoge, Referent und früher Leiter eines Kriseninterventionsdienstes für Suizidgefährdete. In den sozialen Netzwerken sind Sie sowohl auf Twitter als auch auf Facebook, Instagram und Pinterest aktiv und betreiben die Website "Nichtallzufromm".
Helga König: Wie reagieren Ihre Follower im Allgemeinen, wenn Sie diese persönlich so nett schon am frühen Morgen begrüßen?
Horst Peter Pohl |
Helga König: Man erlebt im Netz manchmal sehr einsame Menschen und mitunter sogar welche, die kurz davor stehen, Suizid zu begehen. Können Sie an Posts erkennen, ob ein Mensch dringend seelischen Beistand benötigt?
Horst Peter Pohl: Ich bilde mir nicht ein, das immer erkennen zu können, aber es kommt vor. Häufiger kommt aber vor, dass ich direkt angesprochen werde. Vor allem bin ich für viele der "Pfarrer, den ich kenne".
Horst Peter Pohl: Ich erlebe im Netz – vor allem auf Twitter – sehr viel Mitmenschlichkeit. Man grüßt sich, fragt nach, nimmt Anteil, hilft weiter und hält zum Teil sehr guten Kontakt über viele Jahre.
Helga König: .. und was bei "Fairness"?
Horst Peter Pohl |
Helga König: Sind die sozialen Netzwerke ein interessantes neues Betätigungsfeld für Geistliche und falls ja, wie könnte Seelsorge hier stattfinden?
Horst Peter Pohl: Das wird ja von Anfang an so genutzt, so neu ist es also gar nicht. Evangelische Geistliche werden in ihrer Ordination verpflichtet, das Evangelium "öffentlich" zu verkündigen. Das heißt nach meiner Meinung: selbstverständlich auch im Netz. Es gibt spezielle Seelsorgeplattformen im Internet, aber die große Chance der Sozialen Netzwerke ist, dass sich dort Menschen begegnen. Wie früher und mancherorts heute noch auf dem Dorfplatz kann man auch einem Menschen begegnen, der Pfarrerin oder Pfarrer ist. Man kann ihn ansprechen. Man kann es aber auch dabei belassen, zu grüßen. Und als Pfarrer kann ich wie auf dem Dorfplatz fragen "Sie sehen heute irgendwie traurig aus…"
Helga König |
Horst Peter Pohl: Indem man es so oft wie möglich in Diskussionen einbringt. Indem man zu strittigen Fragen Stellung nimmt. Indem man möglichst kurz und knackig, aber trotzdem differenziert schreibt.
Helga König: Wäre es nicht sinnstiftend, wenn ausgebildete Seelsorger mit Fremdenhassern im Netz in den Dialog treten, haben Sie diesbezüglich schon Erfahrungen sammeln können?
Horst Peter Pohl |
Helga König: Wie kann man im Netz Böses mit Gutem überwinden?
Horst Peter Pohl: Durch Freundlichkeit, Beharrlichkeit und Genauigkeit am ehesten. Aber vor allem indem man aufpasst, sich nicht selbst vom Bösen überwinden zu lassen.
Helga König |
Horst Peter Pohl: Wie gesagt, es ist ein biblisches Zitat, das ich natürlich auf mich beziehe. Ich bin fromm, aber nicht allzu fromm. Fromm sind Menschen, für die Gott in ihrem Leben eine Rolle spielt und den sie um Rat fragen.
Allzu fromm sind für mich Menschen, die man früher als "frömmelnd" bezeichnet hat. Man meinte damit die, die eine Frömmigkeit vor sich her trugen. Vielleicht kann man unter "Allzu Fromm" auch Menschen verstehen, die glauben, man müsse die Bibel in allen Teilen wörtlich nehmen. Aber für mich ist das eigentlich gar nicht fromm, sondern eher dumm. "Nichtallzufromm" heißt für meinen Blog, dass ich über "Gott und die Welt" rede, über Religiöses und Politisches wie über Alltägliches und Witziges. Und mich dabei traue, durchaus auch mal "ketzerische" Ansichten zu äußern.
Helga König: Wie äußert sich nach Ihrer Vorstellung ein geglücktes Miteinander im Netz und was kann jeder dazu beitragen?
Horst Peter Pohl |
Lieber Horst Peter Pohl, ich danke Ihnen für das aufschlussreiche Gespräch
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen